Donnerstag, 20. Oktober 2011

Von Tahrir bis Zuccotti - Ansätze und Forderungen der "occupy"-Bewegung

Wenn du etwas zu sagen hast, musst du zuerst Aufmerksamkeit gewinnen! Wenn dich etwas stört,dann geh auf die Straße!!
So geschehen unlängst. Am 15. Oktober beherzigten in weltweit über 1.000 Städten Menschen dieses Motto und folgten damit einem weltweiten öffentlichen Aufruf zur Demonstration, ja, zur Revolution sogar, wenn man einem nicht kleinen Teil der Ankündigungen glauben schenkt. Weltweit haben sich die Menschen dazu koordiniert, ihre Unzufriedenheit kund zu tun. Und es war keine zentrale Organisation, welche diesen "global day of action" etwa gebiost hätte, die Fahrpläne ausgegeben, wenn man so will. Der Aufruf verbreitete sich ziemlich selbstständig, erreichte Frau und Mann auch außerhalb politischer Gemeinschaften. Doch Unzufriedenheit womit? Wogegen genau richteten sich die Proteste? "OK, we need to make changes, what exactly do you propose?" wollen viele kritische, jedoch nicht eigentlich ablehnende Stimmen gerne wissen.

Nun, die Mottos auf den Bannern der Mobilisierten wie auch in Ankündigungen auf diversen Foren und anderen e-Plattformen waren ja eigentlich global eher koherent. Die Ablehnung des starken Einflusses von Banken und (anderen) Großkonzernen auf alle Aspekte der Politik, so auch auf Sozial- und insbesondere Wirtschaftspolitik, wurde in Tokio ebenso vertreten wie in New York, Frankfurt etcetc... Ebenso fand sich die Forderung nach weniger Korruption auf dem ganzen Globus wieder. Tatsächlich waren es eigentlich sehr eindeutige Botschaften, die da gehört werden wollten.
Sucht man nach Plänen und Zielen dieser Protestbewegung, so folgen diese sicher der eingangs erwähnten Taktik: Aufmerksamkeit! Wer gehört werden will, muss sich zu aller erst die Aufmerksamkeit dazu verschaffen. Die Menschen in aller Welt versammelten sich, um ein gemeinsames Zeichen zu setzen, denn je mehr Beteiligte, um so größer das Signal, um so stärker die Chance auf Gehör. Der Wunsch nach Wandel, tiefgreifendem Strukturellen Wandel liegt in der Luft! So könnte man wohl das Credo der Bewegung am simpelsten formulieren. Und eine Bewegung kann man wohl spätestens erkennen, wenn in den Hauptstädten Spaniens und Italiens, wo der 15.Oktober am zahlreichsten besucht war, über eine halbe Million Menschen sich versammeln. Und diese Bewegung hat auch ein erklärtes Vorbild, einen konkreten Ausgangspunkt.

Seit 17. Septbember, die meisten, bestimmt jedoch die interessierten Leser werden dies wohl bereits wissen, befindet sich im Zuccotti Park in Downtown Manhatten, unmittelbarer Nachbar des Ground Zero, das offizielle Zentrum der "occupy Wall Street"-Proteste. Diese versuchen, über eine friedliche Besetzung der Wall Street politische Änderungen in den USA zu bewirken. Insbesondere die steigende soziale Ungleichheit wird thematisiert. Auch jene breite Schar war dabei ursprünglich einem öffentlichen Aufruf gefolgt, der online vom kanadischen, wirtschafts- und sozialkritischen Magazin "Adbusters" verlautbart wurde.
"Bist du bereit für den Tahrir-Moment?" wurde hierbei unmittelbar auf die Ereignisse im Rahmen der nunmehr als "arabischer Frühling" bekannten Protestwelle im arabischen Raum eingegangen, hier auf die Besetzung des Tahrir-Platzes in Kairo am 25. Januar diesen Jahres. Auch dort lauteten die Forderungen zunächst sehr ähnlich, gipfelten wiederum im Sturz des autokratischen Präsidenten Mubarak. Nach beginnender Zurückhaltung stellten sich schließlich die Regierungen der westlichen Länder, so auch die amerikanische, mehr und mehr eindeutig auf die Seite der Demonstranten, das einstig willkommene Regime wurde als legitimes Feindbild akzeptiert. Eine von vielen Beobachtern als opportunistisch eingestufte Vorgangsweise, vor allem nach den Reaktionen der selben Politiker auf ähnlich motivierte Demonstrationen in vielen europäischen Großsstädten im folgenden Sommer. Nachdem es insbesondere in London und einigen anderen Großstädten Großbritanniens zu Ausschreitungen gekommen war, reagierte die britische Politik mit scharfen Verurteilungen der wohl zurecht als kirminell bezeichneten Wandaleaktionen. Jede Art von Beachtung der nun doch so offensichtlich gewordenen Problemlage, der Motivationen der Demonstranten, schrumpfender Zukunftschancen und wachsender Arbeitslosigkeit, blieb allerdings auf allen politischen Ebenen aus.

Bei der Ankündigung friedlicher Besetzungen innerhalb Amerikas jedoch zeigt sich nun die Kehrseite dieses Opportunismus, den in diesem Fall die amerikanische Regierung zuvor im arabischen Raum an den tag gelegt hatte. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg blieb wohl nicht viel anderes übrig, als den Aktivisten des 17.September bereits vor der Aktion das "Recht zu protestieren" zuzugestehen, "solange sie es dort tun, wo Rechte anderer respektiert werden".
Andernfalls hätte er sich doch selbsttätig in die Rolle des Mubarak gedrängt, doch er wusste: "Das ist es, was New York New York sein lässt." Doch nicht nur dort soll sich die politische Führung nach Möglichkeit von jedem autokratischen Regierungssystem abheben. Auch in Europa waren die offiziellen Meinungen gegenüber den Protesten vom 15.Oktober eher freundlich gesinnter Natur. Regierungs- wie Oppositionsparteien empfanden kontinentweit ziemlich einstimmig die Aktionen als gerechtfertigt und unterstützenswert.

...und da beißt sich die Katze irgendwo in den Schwanz. Denn wenn eine zu hohe Abhängigkeit der Politik vom Geld der Banken und Konzerne angeprangert wird, und daraufhin alle Politiker Beifall klatschen, wer ist dann wohl dafür verantwortlich, Veränderungen herbei zu führen? Das Volk? Der Wähler? Indem er, wie in der Demokratie so üblich, diejenigen Verantwortlichen abwählt, die fälschlicher Weise zugesichert hatten, sich um die Behebung sozialer Diskrepanzen zu kümmern, und statt ihnen turnusmäßig die nächsten ans Steuer hievt? Diejenigen nächsten, die wiederum genau das gleiche versprechen?
Es stimmt vermutlich, es liegen wenig Ideen auf dem Tisch, zu wenig konkrete Forderungen stehen im Raum, als dass sich so etwas wie eine Revolution tatsächlich formieren könnte. Doch der Protest steht! Er inkludiert jedoch die Forderung, politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger sollten zu ihrer Verantwortung stehen. Schluss mit Korruption, schluss mit Lobbyismus dürfen als unmittelbarer Kern der Protestziele angesehen werden.
Diese Forderungnen sind nicht neu. Lediglich der Ansatz der öffentlichen Äußerung hat sich geändert. Nach Jahren erfolgloser Versuche mit der Brechstange besinnt man sich plötzlich auf die andere Richtung an Revolutionären wie Martin Luther King jr. oder Gandhi, auf welche sich die "Generalversammlung" von occupy Wakll Street bezüglich ihres passiven Wiederstandes berufen haben. Den Verantwortlichen vor allem aus der Politik soll dabei gleichsam die Chance
gegeben werden, die Probleme und Missstände der Bevölkerung zu sehen und auf sie zur reagieren. Ein Leitmotto politischen und gesellschaftlichen Engagements, dass sich Protestierende aller Länder längst einverleibt haben, soll nun auch der hohen Politik angetragen werden: "Tu etwas!"

Wenn dich etwas stört, dann geh auf die Straße! Wenn Probleme gelöst werden sollen, müssen sie erst erkannt worden sein. Und je tiefer der weltweite Protest diese Erkenntnis treiben kann, desto größer werden auch die Chancen auf einen Wandel, der diese Probleme auch zu lösen im Stande ist.

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